"Mach schon, halt den Gasgriff in Vollgasstellung, schalte noch nicht!" ruft sie mir entgegen. Sie kann einfach nicht genug kriegen. "Na gut", schreie ich zurück.
Meine Kooperation quittiert sie mit einem sonoren, lauter werdenden Brummen. Ebenso wie mein Grinsen und meine Gänsehaut erreicht auch die Nadel des Drehzahlmessers das Maximum innerhalb kürzester Zeit. Das Licht (Schaltblitz) fängt an zu blinken, der Schalthebel zuckt und das Spiel fängt von vorn an.
"Wahnsinn" sage ich laut in den Helm, "geht das Teil ab." Und wirklich, die neue R1 geht, wie die sprichwörtliche Feuerwehr. Unglaublich finde ich dabei, wie unaufgeregt sich die Maschine auch bei Geschwindigkeiten ab 200 (keine Sorge, Autobahn) präsentiert. Satt und locker liegt sie auf der Straße und läßt sich nicht aus der Ruhe bringen.
Die serienmäßige Ganganzeige im überfrachteten Mäusekino zeigt mir dabei eine Zahl, die um einiges kleiner ist, als ich es erwartet hätte. Also noch ein wenig gedreht und ein paar Gänge nach oben geschaltet.
Naja, Autobahn wird schnell langweilig. Also Blinker setzen und ab auf die Hausstrecke. Die Bremsen funktionieren gut, wenn ich sie auch ein wenig stumpf finde. Zack. rechts abwinkeln und runter geht's. An der Kreuzung kurz anhalten und Gas.
Bis 5000 Touren brummt und vibriert der Motor, ohne den Schub zu produzieren, den ich erwartet hätte. Aber dann... ab 6500 geht das Ding vorwärts, dass es einem Angst und Bange wird. Bis 13500 kann man dieses Spielchen treiben. Auf der Landstraße fährt man daher eigentlich fast wie mit einem Automatikgetriebe. Mehr als die ersten zwei Gänge und vielleicht noch den dritten zum Benzin sparen braucht der Otto-Normal-Fahrer nicht (es sei denn, er bügelt dauerhaft mit Geschwindigkeiten >170 auf der Landstraße). Der Motor unterstreicht die sportliche angehauchte Fahrweise mit schönem Sound. Der klingt trotz Originaltüte super, weil er imho eher vom Motor kommt und nicht vom Auspuff erzeugt wird.
Die R1 zieht super aus den Kurven raus, ohne jemals ungemütlich oder unkontrollierbar zu werden. Der Lenkungsdämpfer und die Auslegung des Motors vermitteln dabei ein sicheres Gefühl. Kurven durchfährt sie leicht und wie auf Schienen. Die Schaltung funktioniert gut, auch wenn die Kupplung viel Handkraft fordert.
Die drei verschiedenen Mappings sind auch recht gut erfahrbar. B ist eher langweilig, Standard geht schon gut zur Sache und bei A wird sie richtig aggressiv. Die Gasannahme ist damit extrem spontan. Lustig (und überflüssig) ist das Digitalinstrument, dass die Drosselklappenstellung (?) im Display anzeigt. Kommt wenigstens ein wenig Bewegung ins Display
Dass der Modus A aber nicht immer der beste auf der Landstraße ist, wundert mich nach der Probefahrt nicht. Auf unebenen Straßen kann das aufrichten des Oberkörpers und damit verbundenes, einhändiges Fahren schnell zum Verhängnis werden. Fährt man z.B. über eine Kuppe und bewegt dabei den Gasgriff auch nur minimal, springt die R1 nach vorn. Das treibt auf alle Fälle den Adrenalinspiegel in die Höhe und sorgt für Rodeofeeling .
Ergonomisch ist die R1 eine Herausforderung, um es mal freundlich auszudrücken. Der gesamte Oberkörper ruht auf den Handgelenken, welche aufgrund der Lenkstummel und deren Armaturen eine sehr unangenehme Stellung einnehmen müssen. Insgesamt führte das bei mir nach knapp 20 Minuten zu Handgelenks"schmerzen".
Um den bekloppten Sprüchen wie "du mußt den Oberkörper mit den Bauchmuskeln tragen" vorzubeugen: Wie soll das über Stunden funktionieren? Das wird für Otto-Normal-Waschbärbauchträger unmöglich sein. Die Beine allerdings sind sehr angenehm untergebracht. Der Kniewinkel geht in Ordnung.
Alles in allem ist die R1 ein faszinierendes Bike, das aber sicherlich besser auf der Renne aufgehoben ist, als auf der Landstraße. Meine FZ1 kam mir nach der Probefahrt richtig untermotorisiert vor Aufgrund der Ergonomie wird die R1 für mich keine Alternative für die nächste Saison sein. Aber vielleicht kommt mal eine FZ1 mit dem BigBang Motor raus, denn der ist wirklich der Hammer. Da könnte ich schon schwach werden...