Buon Giorno (oder wie ich zu einer italienischen Japanerin kam). Eine Gebrauchtkauferfahrung.

  • Moin.
    Da ich, aus gegebenem Anlass „ein wenig“ zu dem Thema gegoogelt, aber nur mäßig gefunden habe,
    möchte ich die thematisch Interessierten an dieser Stelle mal an meinen aktuellen Erfahrungen zum Thema
    Gebrauchtkauf und Importmodell teilhaben lassen…


    Der eine oder andere erinnert sich vielleicht noch: A.D. 2010 habe ich meine damals heiss
    geliebte 2007er SC57 (Repsol #672) mit Anlauf durch eine Leitplanke gejagt.

    Offenbar saß der Schreck (oder das Glück über mein Glück) doch tiefer als gedacht, denn:
    Nachdem ich mir vorgenommen hatte, ab sofort zwei mal im Jahr Geburtstag zu feiern (was
    keine Sau interessiert hat - Geschenke gabs trotzdem nur ein mal) dachte ich mir, dass ich es
    ja jetzt etwas ruhiger angehen könnte und ausserdem ist so eine SC57 ja viel zu krass für dauerhaft
    Landstraße und so oft war ich ja auch nicht auf der Rennstrecke und etwas bequemer könnte
    es ja gerne sein und überhaupt. So habe ich mir, als ich noch mal stehen, laufen und sitzen konnte,
    zuerst mal eine SpeedTriple zur Probefahrt organisiert, verwarf den Gedanken nach 100 km umgehend
    und wurde zwecks CB1000R bei meinem HH vorstellig. Gleicher Motor, ABS, gute Kritken… und vor
    allem: wesentlich mehr Spaß am Probewochenende, als bei der Triumph. Gekauft.

    In den letzten drei Jahren viel mir dann allerdings auf, dass ich nie um eine Ausrede verlegen war,
    wenn es darum ging, NICHT mit den Gerät zu fahren… Im Defender kann man viel mehr Transportieren,
    im 35is kann man auch schnell fahren und braucht dafür keinen Helm, etc. etc. etc.

    Im April / Mai diesen Jahres – 950 km französische Autobahn vor mir – habe ich meiner Finanzministerin
    dann direkt hinter der ersten Péage-Stelle offenbart, dass ich sie ja immer noch heiraten möchte und
    dass ich unbedingt wieder ein „RICHTIGES“ Motorrad haben will. Da die Reihenfolge der
    Konversationsinhalte scheinbar richtig gewählt war, waren am Ende des Gespräches noch rund 945 km
    Autobahn über, eine Woche später war die CB1000R bei Mobile drin und zwei Wochen später dann
    auch verkauft. Und hier… fängt die Geschichte erst an.

    Ich habe damals, im Zusammenhang mit meiner SC57, recht merkwürdige Erfahrungen mit Händlern
    und gebrauchten Motorrädern gemacht.

    (Siehe dazu auch: http://www.cbr1000rr.de/fireblade_foru…8331&highlight= )

    Von daher habe ich kurz gezuckt, als mein HH mir die aktuelle Fireblade inkl. Bodis-Stummel, Miniblinker
    und feinem KZH-Umbau für einen ziemlich guten Preis angeboten hat…

    „Andererseits“ dachte ich bei mir „wollte ich ja eigentlich wieder eine SC57.“
    Also habe ich mal angefangen zu suchen. Und zu suchen. Und zu suchen. Mobile rauf, mobile runter…
    und dabei bin ich über die wirklich abstrusesten Inserate gestolpert. Preisvorstellungen jenseits von gut
    und böse, Laufleistungen die mich wirklich beeindruckt haben, groteske Schadenerklärungsversuche und
    noch dazu meistens irgendwo ± 500 bis 600 Kilometer entfernt.

    Eines schönen Tages (Montags) stieß ich auf ein Händlerinserat aus dem Raum Nürtingen.
    SC57, Bj. 06, 819 km auf der Uhr. Inseriert für 7.200,- Euro.

    Nach allem, was ich bis dahin in Telefonaten mit potentiellen Verkäufern gehört hatte, konnte das auch nicht
    schlimmer werden. Also rief ich da an:

    - Ja, das seien original Kilometer.
    - Nein, keinen Unfall.
    - Nein, keine Beschädigungen.
    - Ja, ich könne das Bike für die Besichtigung am Samstag reservieren.
    - Ach, und übrigens: Die Maschine kommt aus Italien und ein Schlüssel fehlt. Der Vorbesitzer hat den
    Vertrag unterschrieben, dann die Anzahlung nicht leisten können und dann wurde das Teil konfisziert
    und stand dann erst n einem italienischen Polizeilager und danach wieder beim Händler. Sieben Jahre
    lang. Ah… und der zweite Schlüssel fehlt.

    Italien? Story? Ehm… okay. wer meinen obigen Link mal angeschaut hat, kann vielleicht verstehen, dass ich
    direkt nach der ersten Euphorie, vielleicht „mein“ neues Bike gefunden zu haben, etwas skeptischer wurde…

    „Google hilft!“ Dachte ich. Allerdings war zu dem Händler so gut wie nix zu finden und was das Thema
    italienischen Import anging hatte ich dank intensiver Internetrecherche noch viel mehr Fragen als vorher.
    Andererseits sind es von Saarbrücken nach Nürtingen etwas mehr als 200 km. Sollte das Ding also Müsli
    sein (so ein bißchen Ahnung bringt man ja mittlerweile mit) fährt man eben wieder heim und gut.

    Und dann endlich: Samstag. Mal eben durch den Dauerregen nach Nürtingen gerockt und so.
    Zu aller erst vielleicht was zum Händler: Der telefonische Kontakt war nett und unkompliziert. Und auch vor
    Ort hat sich das nicht geändert. Alle Fragen wurden beantwortet und er hat sich wirklich eine Menge Zeit
    genommen. „Iss ja logisch, der will ja auch was verkaufen“ denkt jetzt vermutlich der Eine oder Andere, aber
    ich muss sagen, dass ich das schon ganz anders erlebt habe. Der Laden steht voll mit (zu 95%) italienischen
    Importen. Alles japanische Supersportler zwischen 600 und 1000 ccm. Die eine oder andere SC50, 600RRs,
    R6, R1… und alle in den unterschiedlichsten Pflegestufen.

    Nachdem ich dann ungefähr eine halbe Stunden auf Knien und mit der Taschenlampe um das Ding
    herumgerutscht bin, habe ich ausser der Erkenntnis, dass das Ding wirklich noch nie gefahren wurde, immer
    noch nichts gefunden, was mich irgendwie gestört hätte. Die Maschine sah aus wie meine SC57 seinerzeit
    bei Auslieferung. Kurzer Probelauf, noch ein bißchen hin und her wegen dem 2ten Schlüssel und das Teil
    dann eben für 7.150,- Euro gekauft. Ab in den Transporter und auf nach Saarbrücken damit.

    Jetzt ist man ja vom Käuferglück nicht immer verwöhnt worden und wird in zunehmenden Alter auch etwas
    kritischer in der Betrachtung der allgemeinen Geschehnisse. Oder anders formuliert: Je mehr man weiss,
    desto weniger will man wissen.

    Also führt der erste Weg in Saarbrücken mich zum Bürgeramt.
    Alle Dokumente vom Händler, gültige HU- und Einzelabnahme sowie eine frische eVB-Nummer in der Tasche
    hatte ich trotzdem ein dezent ungutes Feeling, als ich da so saß und auf meine Nummer wartete. Gibt ja nix,
    was man bei einem Amtsbesuch nicht schon erlebt hätte.

    Doch, was Wunder, eine halbe Stunde und 50,00 Euro später stand ich mit einer Zigarette, meinem neuen
    deutschen Fahrzeugbrief (und -Schein) und dem kleinsten Nummernschild, das ich je hatte, wieder draussen
    vor der Tür. Die komplette anmeldeprozedur war das schmerzfreieste, was ich je beim Selberanmelden eines
    Fahrzeugs erlebt hatte.

    Daraufhin direkt zu meinem HH. So ganz vertraue ich 2006er Einfahröl und Kuplungs- und Bremsflüssigkeit
    dann doch nicht mehr. Also: erstmal 1000er-Inspektion. Ich habe meinen Händler gebeten, wirklich GENAU
    hinzuschauen. Insgeheim rechnete ich noch immer damit, dass der Rahmen vielleicht irgendwo mit Tesa
    getaped ist, oder dass nun vielleicht doch irgendwelche Unfallverschleierungsmaßnahmen zu Tage treten.

    2 tage später ruft mein HH-Betreuer mich an. Ich war – zugegebener Maßen – etwas nervös und wollte
    eigentlich gar so genau wissen, was er mit „Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht“ meint…

    Und dan kam, was wohl kommen musste…
    Die gute Nachricht war: 100er-Service gemacht, alle Flüssigkeiten gewechselt, neue Pellen aufgeworfen und
    soweit alles problemlos. ABER… (und das war die schlechte Nachricht) das würde er mir persönlich wirklich
    übel nehmen, da er selbst privat auch gerade eine SC57 sucht und das der Zustand bei dem Preis eigentlich eine
    Unverschämtheit sei, und das auch noch bei einem Jahr Gewährleistung. Der nächste Kaffee würde dann wohl
    auf mich gehen müssen…

    Mein Fazit:
    Ich habe in den verschiedensten Foren (auch hier) recht viel Unsinn zum Thema Italienimport gelesen.
    („Würde ich nie machen“, „Das sind alles verheizte Rennhuren“, etc.) Ich habe nun in den letzten zwei Wochen
    die Laufleistung meiner „neuen“ SC57 verdoppelt. Das Ding läuft, ist kein Blender und bislang (3 mal auf Holz klopfen!)
    technisch Einwandfrei. Die Anmeldung ging völlig schmerzfrei über die Bühne und plötzlich macht Motorradfahren auch
    wieder Spaß. Von daher: Immer wieder gerne auch mal eine Italienerin.


    VG/P

    PS: Das ganze unnötige Geraffel wie bspw. Soziusrasten und die Sticker muss man sich jetzt natürlich wegdenken.
    Jetzt gibts noch einen würdigen KZH, einen netten ESD und entsprechende Blinker und dann hoffe ich mal auf
    angenehme Jahre mit der Signora.

  • Schöne Story! Gut geschrieben! :)

    Herzlichen Glückwunsch zur "nagelneuen" 57er! :respekt:

  • Schöne Story :) Glückwunsch zur neuen alten Blade (-:

    8) "Beim Beschleunigen müssen die Tränen der Ergriffenheit waagerecht zum Ohr hin abfließen" (Walter Röhrl) 8)

  • Prima Post!!! Ich hatte bis jetzt auch 2 Blades aus Italien und hab die selben Erfahrungen gemacht. Beide Male Top Zustand, nie technische Probleme. Ich glaube zu diesem Thema wird sehr viel Unsinn verbreitet.

    mfg
    Micha

    "Racing, competing is in my blood. It´s part of me, it´s part of my life."
    Ayrton Senna

  • Tolle Geschichte.
    Glückwunsch zu diesem tollen Fang! (-:

    Erinnert mich fast an die Geschichte wie ich meine bekommen hab.

    If You Don't Live For Something, You'll Die For Nothing !

    In an Insane world , motorcycling is the sanest choice.

  • Meine SC50 ist auch ein Italien-Import. Hab sie mit 24.000km für 3700€ gekauft, dann auch die große Inspektion machen lassen und hatte noch keine Probleme.

    Drosseln sind Vögel. Sie in Motorräder zu stecken ist Tierquälerei.

  • Sehr unterhaltsam geschrieben :respekt:

    Habe vor Jahren eine Toyota Celica von einem "Hinterhof-Autohändler" hier in Berlin als Italien-Import gekauft, stand auch irgendwie lange in Italien rum weil relativ wenig km fürs Alter... laut ADAC/Dekra Gutachter sah es aber auch nicht so aus als ob der Tacho zurück gedreht worden war. Klar, kann trotzdem sein, aber ich dachte eher an sone Mafia-Leiche im Kofferraum als Grund für das lange stehen (-: Wieauchimmer, läuft ohne große Probs, feines Autochen :hüpf1:

  • Guten Tag Peter,

    Glückwunsch zu deiner Italo-Japanerin! Der Beitrag ist unterhaltsam formuliert.
    Habe selber auch eine Import-Maschine aus Azzurro und keine Probleme.

    Den besten Rat gibst du selber:
    Das Motorrad komplett durchleuchten, danach von einem Fachmann nachkontrollieren lassen.

    Gruß Mathias

    Hasse das Spiel, nicht den Spieler.
    '03 CBR900RR Projekt, '78 CB250T, '81 CB400N (x3), '81 CB650C, '88 XL350R, '95 CBR600F3 Renn Projekt
    '72 DS7, '16 RSV4 RF dolce vita con Euro3, '17 R9T Urban G/S, '19 CRF1000L Africa Twin

  • abenteuerlicher kauf mit happy-end.

    wirklich - schön geschrieben die geschichte, emotionen (freude) super rübergebracht...

    viele, viele unfallfreie kilometer gewunschen...

  • Glückwunsch.

    mein Bruder hat sich auch dieses Jahr eine CBR600RR aus Italien gehölt, das Teil ist wie neu, An bzw. Ummeldung lief auch völlig problemlos.

    Meine SC57 ist auch ne Ausländerin, alles bestens :)

    Wenn ich früher mal bei Mobile nach MOppeds gesucht habe dann ahbe ich explizit IT und co ausgeschlossen, mitlerweile schaue ich erst was es im Ausland so zu holen gibt :)

    Gruß

    Almir

  • Hallo Peter,

    sehr unterhaltsam geschrieben, deckt sich auch mit den Erfahrungen meines Bekannten welcher eine R1 mit 1500klm für 6500 Scheine aus Italien gekauft hat und überglücklich ist.Die Welt ist nicht nur voller Verbrecher, die Händler welche Italienimporte verkaufen wollen ja auch nicht jeden Tag Post von der Staatsanwaltschaft haben und noch länger Geschäfte machen nicht wahr. Auf die Nase fallen kann man auch zur genüge in Deutschland bei manch Namhaften Händler.;)

    Glückwunsch zur Neuen und allzeit gute Fahrt. :perfekt:

    PS. ein Schnäppchen war das schon !

    Gruss