Aprilia RSV4 RF vs. BMW S1000RR vs. Ducati Panigale 1299S vs. Yamaha R1 RN32 (2015)
Guten Tag,
tl;dr Version dieses Tests oder wenn das Motorrad eine Frau wäre:
Aprilia RSV4 RF: Das Mädchen von nebenan in das du schon im Sandkasten verliebt warst.
BMW S1000RR: Die hübsche Sekretärin in mausgrauem Rock und Brille auf der Arbeit.
Ducati Panigale 1299S: Rassige Schönheit die dir beim Sex den Rücken blutig kratzt und dich in deine Schranken weist.
Yamaha R1: Kocht dir jeden Abend pünktlich das Abendessen und macht keine Sperenzchen.
Da ich nun eure geballte Aufmerksamkeit habe kommen wir nun zum ausführlichen Testbericht.
Dieser ist in gewisser Weise immer subjektiv geprägt und spiegelt meine Meinung zu diesen vier Maschinen wieder.
Alle Motorräder habe ich in insgesamt zwei Tagen (30. und 31. August) getestet und die Bewertung von Motor, Getriebe, Bremse und Fahrwerk fand auf ein und derselben Hausstrecke statt.
Auf eine Diskussion mit euch freue ich mich!
Fangen wir der Reihe nach an.
Ducati Panigale 1299S - dominante Diva
Das erste Zweirad aus diesem Quartett war die Ducati Panigale 1299S. Klein und rot steht dieses Geschoss auf dem langen Seitenständer vor mir. Welch ein Anblick! Widerwillig widersetzt sich der Motor erfolgreich den um Gnade flehenden Anlasser getrieben durch den immer stärker werdenden Druck meines Daumens auf den Taster. Doch der Anlasser gewinnt den Kampf nach mehr Umdrehungen, als ich es von meinen japanischen Reihenvierern gewohnt bin. Schon beim ersten Anlassen und dem darauffolgenden warmlaufen wird einem die Kraft des Superquadro getauften und in dieser Version 1285cm³ fassenden Motors als alles andere übertönend bewusst, ist der Zweizylinder doch mit 108dBA bei 5250 U/min homologiert. Das bollert ordentlich.
Nun schwinge ich mich elegant - es klappt nicht und ich bleibe am lächerlich kleinen aber hohen Soziasitz hängen - auf das Motorrad und versuche mich auf diesem kleinen Arbeitsplatz für die nächsten Stunden zurecht zu finden. Die hydraulische Kupplung ist schwergängiger als ich dachte, doch ist der Druckpunkt sehr präzise. Satt und mit Nachdruck will der erste Gang eingelegt werden.
Dann zweizylinder ich mit wenig Gas los und ziehe schon die Blicke auf mich. Menschen drehen sich nach diesem durch und durch roten und lauten Ungetüm um. Ältere Damen am Straßenrand erheben erbost ihren zur Faust geballten Arm wegen des Lärms was ganz im Gegensatz zu den sommerlich leicht gekleideten Mädels steht, die sich nach dem Renner aus Borgo Panigale umdrehen und mit einem dreckigen Grinsen auf die Unterlippe beißen. Ja, solche Szenen erlebt man auf dieser Maschine.
Nun wärme ich meine Reifen, es sind Pirelli Diablo Supercorsa SP, immer mehr an. Beim heranrollen an die letzte Ampeln vor dem gleich durch brachiale Antriebskraft einsetzenden Adrenalinrausch ziehe ich ein erstes Resümee: Der Taster für den Blinker ist durch seine hohe Bauform schwer zu betätigen. Der Leerlauf findet sich nicht immer auf Anhieb, ich schalte öfters zwischen dem ersten und zweiten Gang hin und her. Die rechte Fußraste ist sehr klein; im Stadtverkehr und mit abstehenden Ohren ist es ein leichtes die Hinterradbremse aus Versehen zu betätigen. In den Spiegeln konnte ich nur die abgewetzte Schrift auf den Ärmeln abwärts des Ellenbogens meiner Jacke sehen. Die Sitzposition ist schon jetzt sehr vorderradorientiert, sehr sportlich. Der schöne, aber kleine Bildschirm der Pani ist auf Grund seiner im Gegensatz zur später getesteten R1 mehr angewinkelten Position bei Sonneneinstrahlung nicht abzulesen.
Die Ampel schaltet auf grün um.
Ich lege meine Ohren an und starte durch. Das brachiale Drehmoment katapultiert mich mit bis dahin ungekannter Härte nach vorne. Ich zweifle an keiner Nachkommastelle der angegebenen 144 Nm (bei 8750 U/min.). Bröööp. Ich lasse es donnern.
Nun schalte ich mit regulärem Schaltschema einen Gang nach oben und sehe eine Kolonne von drei Autos in zirka 300 Metern vor mir. Ein kleiner Gasgriff katapultiert mich augenblicklich an den Hintermann, einen roten E36 3er. Der hoch- und runterschaltende Schaltassistent lässt mich jeden Gangwechsel spüren, geht seiner Arbeit pünktlich und ordentlich nach. Die gefühlte Durchzugskraft ist enorm. Die noch auf größter Stufe stehende Motorbremse auch. Nachdem ich mir einen Überblick von dem nicht vorhandenen Gegenverkehr geschaffen habe, leite ich den Überschallflug zum Überholen ein. Im ersten Gang. Das mit dem Blinker lassen wir mal, ist nicht drin den auf die schnelle zu betätigen. Die drei Autos werden in Nullkommanichts stehen gelassen. Es geht sogar so schnell, dass ich mit dem Schalten nicht nachkomme und bei 155km/h im zweiten Gang in den Begrenzer renne. Beide Endtöpfe spucken. Heftig.
Allerdings fühlen sich beim wiederholten ausdrehen des Motors die 205PS bei 10500 U/min. nicht so stark an. Klar, es geht vehement voran. Aber ab dem Drehmomentmaximum fühlt sich der Motor, wenn man ihn in diesem Umfeld der 200PS Motorräder betrachtet, etwas zugeschnürt an.
Ich nähere mich meiner Hausstrecke. Die letzte Ortschaft trennen mich davon. Vor dem Ortsschild bin ich viel zu schnell und erlebe eine Überraschung. Die Bremse der 1299S hat einen ultra-hyper-knackigen Druckpunkt. Und wie sich noch im späteren herumtrödeln auf der Straße herausstellt ist das mögliche Bremsen, die maximale Verzögerung, nur davon abhängig, wie sehr ich am Hebel ziehe. Je mehr ich ziehe, den Bremsdruck moduliere, desto mehr Bremse ich. Es ist nicht ein schlichtes Bremsen und es tut sich was. Es ist als hätte man immer eine Betonwand parat welche man kurzerhand vor sich aufstellt um gleich darauf reinzuknallen.
Eins vorweg: Die Duc wird im Bereich Bremse diesen meinen persönlichen Test gewinnen, haushoch. Die Kombination aus Handbremspumpe, ABS-Steuergerät (wenn auch ABS abgeschaltet), Stahlflexschläuchen, Bremsbelägen und Bremsscheiben sucht bei Bremssystemen ab Werk seinesgleichen. Hut ab vor so einer bissigen Abstimmung. Referenz!
Ab Ortsausgang schalte ich auf Feuer und ziele auf die erste Linkskurve, zirka 75° links.
Die Bremse funktioniert wieder wunderbar und ich lege mich mit vollem Elan in die Kurve. Die Panigeili [sic!] möchte entschlossen in die Kurve gedrückt werden. Halbherzige Aktionen bestraft sie mit unruhigem Fahrverhalten. Die 1299S bleibt in jeder Situation ein hartes Motorrad, ist jedoch im direkten Vergleich zu der 1199S dank des el. Fahrwerks von Öhlins doch weicher. Und eine Ducati ist endlich mit nicht rutschenden Fußrasten versehen.
Bodenwellen sind in jeder Einstellung der Fahrwerks spürbar. Oftmals bringt das Motorrad als Rückmeldung eine Unruhe mit sich, die wiederum auf den Fahrer übergreift, sodass der Ducatisti öfters vom Gas geht. Es mangelt dem Motorrad bei vollem Druck an Geradeausstabilität.
Weiter geht es in den Wald hinein in ein Gefälle größer 10° und eine Rechtskurve. Diese langgezogene Kurve lässt die gute Abstimmung des ride-by-wire Gasgriffs erkennen. Zwar hat die Ducati in Kurvenmitte bei erneuten öffnen des Gasgriffs eine starke Initialzündung, doch ist das Motorrad von da an gut über den Griff zu steuern. Wenn nur nicht die Schlenker im Fahrwerk drin wären.
Kilometer später drehe ich in der nächsten Ortschaft angekommen um und fahre die Strecke in die andere Richtung ab, ehe ich den Rückweg zum Händler antrete.
Normalerweise nutzt man jetzt die Hacke seines linken Stiefels um den Seitenständer auszuklappen. Ich bin aber zu wirr und steige von dem Motorrad ab um den Ständer so in Position bringen zu können und die rote Bestie abzustellen. Anders kriege ich es im Moment nicht hin.
Eigentlich sollte ich jetzt im Detail anfangen zu schwafeln wie hochwertig die Verarbeitung der Duc wirkt oder was für tolle Komponenten an dieser Maschine verbaut wurden. Passt hier aber nicht hin. Ich werde im letzten Teil die kalte Technik mit ihren Details walten lassen, aber nicht hier und nicht jetzt.
Der Ritt auf der Kanonenkugel hinterlässt eine zwiegespaltenen Eindruck bei mir. Ein Erlebnis ist dieses Motorrad allemal. Ein brutales, böses, ungezähmtes Erlebnis das ich nicht missen will. Aber doch sehr kompromisslos und ohne ausreichende Alltagsqualitäten.
Der zukünftige Eigner dieser roten Diva sollte über mehrere, nicht unwichtige Punkte im klaren sein. Manch böse Zungen behaupten, dass sich der Rahmen verbiegen, flexen, würde. Der Rahmen, oder wie man dieses alles-ist-unter-einem-verbunden-und-trägt-mich nennen soll, ist meines Erachtens so hart, dass die Familienplanung bis zum dauerhaften Verkehr mit diesem Zweirad abgeschlossen werden sollte. Als ob das nicht genügen würde verfehlt der stehende Zylinder seine Funktion als Eierkocher keineswegs. Und beim kräftigen Bremsen findet man wenig halt, wird nur von den Händen an den Stummellenkern zurückgehalten - oder eben nicht.
Für wen ist dieses Motorrad: Den erfahrenen Fahrer mit sportlicher Figur der gerne fahrerisch gefordert wird. Diese Maschine ist auch nach drei Saisons noch nicht langweilig.
-Ende Teil 1 von 5-
Gruß Mathias