Guten Tag,
die rote Maschine ist auf dem Hauptständer aufgebockt vor mir und wärmt sich im Standgaß vor.
Das sonore Knattern des großen, luftgekühlten Motors wirkt beruhigend bis in jede Ecke der dunklen Werkstatt. Mit jeder Sekunde wird der Motor heißer und gibt einen leicht verbrannten Geruch von sich, welcher nicht unangenehm ist.
Die CB1100EX hat erst 3km auf der Uhr.
Ich bocke den roten Brocken ab und setze mich auf den angenehm gepolsterten Sitz und fahre los.
Obschon der Fahrer in den ersten Momenten von dem hohen Gewicht des Motorrads überrascht ist, findet man schnell Vertrauen und gewöhnt sich an die große Maschine.
Die Anzeigen und Bedienelemente sind übersichtlich angeordnet und leicht zugänglich. Einzig die Anzeige in der Mitte, welche neben der Ganganzeige den Füllstand des Tanks, die Uhrzeit und den Kilometerzähler beherbergt, ist bei starker Sonneneinstrahlung nicht ablesbar.
Die Verarbeitung wirkt sehr hochwertig, die Ergonomie trotz des großen Tanks ist hervorragend. Drehzahlmesser und Tachometer sind in Honda-typischem grün.
Alles ist auf seinem Platz - fast alles, denn der Taster für den Blinker befindet sich so tief dass die Hupe heute öfters als gewollt betätigt wurde.
Aber wenn das Motorrad so gut aussieht kann man über diesen trötenden Grund, die Blicke auf sich zu ziehen, hinwegsehen.
Nach einem ersten Kennenlernen mit der Maschine macht man sich an das Werk - Kilometerfressen mit dem Eisenschwein.
Als nackte Tourenmaschine mit klassischem Aussehen und heutiger Technik schafft es die Honda in vielen Punkten zu glänzen.
Am Ende der Ortschaft beschleunige ich im fünften Gang durch, 50km/h bis 180km/h in einem Gang, kein stottern, kein verschlucken, kein Problem.
Der Motor ist seidenweich - und fad. In jeden Gang zu jeder Drehzahl befindet man sich auf einem Drehmomentplateau.
Nie kommt das Gefühl auf dass die Maschine angestrengt läuft. Das gibt der Einspritzer-Vierzylinder nicht her. Mir fehlt dadurch die Nervösität und Unterhaltung meiner Vergasermaschinen wie CB400 oder CB650.
Die Gasannahme ist immer hervorragend und angenehm sanft. Wenn ich jedoch das Gas abrupt schließe, geht ein kleiner, aber vernehmbarer Schlag durch das Motorrad.
Als die nagelneuen Reifen eingefahren und ich mich auf dem Motorrad nun vollends wohl fühle, kommen die Fußrasten und Kühlrippen der Straße immer näher.
Ich bin überrascht wie leicht diese große, schwere Maschine in die Kurven hineingedrückt werden kann und vergesse die 260kg zwischen meinen Beinen.
Da bringt mich in einer langgezogenen Kurve eine Bodenwelle wieder zurück in die Realität und lässt mich spüren wie schwer das Motorrad doch ist.
Das weiche Fahrwerk gibt nicht mehr her.
Für lange Touren, auch zu zweit, sicherlich hervorragend. Für schnelle Kurvenhatz ab 120km/h ungeeignet.
Auf dem Rückweg teste ich die sehr gute Ausleuchtung der Straße durch meine Scheinwerfer im dunklen, braun und grünen Wald.
Ich gebe den Schlüssel dem Händler ab, bedanke mich für die Probefahrt und schaue auf seinen verdutzten Blick, als er den Hinterreifen mit großen Augen ansieht.
Das rote Kleid (candy alizarin red) steht der Honda hervorragend.
Bei tiefer Sonne nicht llesbar: Bordcompter.
Durchdachtes Detail: Schauglas mit Scheibenwischer. Gab es bei Honda schon in der 1974 Gold Wing.
Gruß Mathias
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