Der Instruktor (speziell für PeteRR *grins*)

  • Unter Helmen - die Motorradkolumne (4)
    Der Instruktor

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    von Burkhard Straßmann

    Motorradfahren ist eine Kunst. Die meisten Motorradfahrer sind sich sicher, daß sie diese Kunst beherrschen. Darum gibt es so scheußliche Unfallstatistiken und einen Düsseldorfer SPD-Politiker, der findet, daß Motorradfahren verboten gehört. Wer aber in der Kunst des Motorradfahrens voranschreiten will, muß sich einen Meister suchen.
    Da ist er: Meister Bernd. Augen so blau wie die Abgase eines Zweitaktmotors. Ein Mannsbild mit Bart und BMW. Meister Bernd ist "Instruktor" für Motorradsicherheit. Sonst ist er Schwabe und schafft bei der Telekom. Eigentlich sind Instruktoren entweder Polizisten oder Fahrlehrer. Da hebt Meister Bernd die Stimme: "Wir wollen Spaß haben!"

    Das versteht sich nicht von selbst. Denn Meister Bernd gibt seine Lektionen auf dem Nürburgring in der Eifel. Sicherheitstraining auf einer Rennstrecke? So ein Quatsch: Rasen lernen oder was? Kein Wunder, daß unter den 128 Motorradfahrern, die sich am Vatertag zum großen ADAC-Motorradtraining-Nürburgring '96 versammelt haben, nur neun Frauen sind. 700 Mark für zwei Tage inklusive Hotel und Kettenspray. Wer macht da mit? Junge Männer um die Dreißig, die im Kniebereich ihrer Lederkombi kleine Gummiplatten befestigt haben. Auf den Gummiplatten sind Kratzer zu sehen, die entstehen, wenn Motorradfahrer sehr schnell und sehr schief um Kurven fahren. Dabei rubbeln die Knie über den Asphalt, was als sportlich gilt. Die meisten von ihnen fahren entsetzlich schnelle Motorräder mit Walzen. Walzen sind superbreite Reifen, wie man sie vom Trecker kennt.

    Es sind aber auch einige ältere Herren gekommen, die, wie es sich für ältere Herren gehört, eine BMW fahren. Sie sind in einer Gruppe für "Tourenfahrer" untergekommen. In der Gruppe von Meister Bernd. Tourenfahrer B. hat frische Unterwäsche angelegt. Man kann ja nie wissen. Falls man im Krankenhaus landet. Nicht doch! Meister Bernd fängt bei Null an. "Spaß ist", doziert er, "wenn die Maschine tut, was ihr wollt." Am besten tut sie das, wenn das Motorradfahren aus der Hüfte kommt.

    Der erste Tag erschöpft sich darin, daß man auf einem (Rettungs-!)Hubschrauber-Landeplatz kleine Kreise dreht und auf dem Motorrad hin- und herhopst. Rums - da stürzt der P. Er ist nämlich sehr steif und verkrampft in der Hüfte. Jetzt liegt er im Dreck. Der Meister tröstet: "P. hat sein Limit kennengelernt." Und nebenbei lernen alle, daß man nicht sagt: "Er ist gestürzt", sondern: "Er hat sein Motorrad weggeschmissen." Das Gesetz des Handelns bestimmt noch im Stürzen der Fahrer.

    Am zweiten Tag: die Piste. Jede Kurve des Nürburgrings hat einen Namen. Geübte Ringexperten sind in der Lage, nachts im Bett die Rennstrecke nachzufahren. Besonders gemein die Kurvenkombination bei Kilometer 5,5: "Adenauer-Forst". Der geeignete Ort für Theoriearbeit. Meister Bernd diskutiert, während vorbeieilende Sportfahrer ihre Knieprotektoren abnutzen, die "Ideallinie". Das ist der schnellste Weg, durch eine Kurve zu kommen, also der einzig mögliche. Dieser Weg ist das Ziel, aus prinzipiellen Erwägungen natürlich unerreichbar.

    Im Windschatten von Meister Bernd geht es dann in die Schräglage. Schneller, immer schneller. Aus Angst wird Lust, aus Tourenfahrern werden Helden. Bis aus Lust wieder Angst wird. Aha: das Limit! In den Pausen stellen sich biographische Fragen: Wieso hat man nie an ein Leben als Rennfahrer gedacht? Ist es zu spät, an ein Leben als Rennfahrer zu denken? Was wird die Familie sagen? Am Abend erhält jeder Teilnehmer eine Urkunde und ein Rennvideo vom Ring.

    Niemand verläßt den Meister, wie er kam. Erwachsene Menschen tragen freiwillig ein T-Shirt mit Reklame für einen Reifenhersteller und den ADAC. Gutmütige Tourenfahrer streichen stolz über die angeschmorten Flanken ihrer Motorradreifen, die bis dahin noch nie die Straße berührten. Es ist ein großes Glück, daß an den entscheidenden Punkten der Rennstrecke ein Photograph stand. In wenigen Wochen wird man der Familie zeigen können, wie schräg man lag.


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    (C) DIE ZEIT Nr.32 vom 2. August 1996

    • Offizieller Beitrag

    Hi Lara,

    woher kam der Energie-Anfall, soviel zu posten :D ?????

    Aber ich bin kein Instruktor und auch nie selber instruiert worden, bin quasi Autodidakt bzw. Motorraddidakt...oder war das jetzt verkehrt ausgedrückt??????
    In so Kursen findet man ja ne extreme Bandbreite von know-how und Motivation, da kann das Fahren(müssen) in ner Gruppenordnung schon sehr stressig werden :-)))

  • von Burkhard Straßmann

    Motorradfahren ist eine Kunst. Die meisten Motorradfahrer sind sich sicher, daß sie diese Kunst beherrschen.

    Echt ?
    Glaub ich net. :)

    [Snip] :P


    In wenigen Wochen wird man der Familie zeigen können, wie schräg man lag.


    :)

    Der eine fährt schnell im Kreis.................


    Der andere sitzt irgendwo im stillen Kämmerchen und schreibt und schreibt und .............


    Jeder so wie er mag ;)


    Gruß Manni

  • Wie man sieht hat der Mann mit wichtigen Nervenaufreibenden Sachen Tagäglich zutun:


    Mitteilungen der Deutschen Mathematiker-Vereinigung 1-2000, S. 17

    Burkhard Straßmann: Zahlenmagie
    Gibt es eigentlich noch Leute, die sich über entsetzliche Erlebnisse im ,,Mitropa''-Speisewagen aufregen können? Über zusammengefallenen Chefsalat, eiskalten Rotwein, pampiges Personal und ,,tut-mir-leid-wir-haben-nur-noch-Snacks''? Solche Leute gibt es, in jedem Reiseteil überregionaler Zeitungen finden sich empörte Kommentare und einschlägige Hassbriefe. Ich dagegen: Klebe im abgewetzten Plaste-Polster des Mitropa-Bistros im Interregio Bremen-Saarbrücken, warte seit einer geschlagenen Stunde auf meine Gulaschsuppe und lächele vor mich hin. Denn mir geht's gut: Ich betreibe Zahlenmagie.

    Zahlenmagie geht so: Man fängt immer mit der Zahl an, die einem zuerst einfällt, das ist laut amerikanischen Untersuchungen meistens die 87. Bekanntlich ist 87 nicht nur ein, sondern das Produkt aus 29 und 3, deren Summe allerdings 32 ist. Eine durchaus leckere Zahl, die 32, freundlich, heiter, Quersumme 5. Die 5 merken wir uns, indem wir eine Faust ballen. Der zweite Anlauf mit der 87 führt uns zur Quersumme 15, die sich mit der leckeren 32, der Anzahl der geballten Fäuste und dem Inhalt der geballten Faust zu 53 vereint, was - jaja! - vor drei Jahren Handkes Alter war, aber auch mein Geburtsjahrgang ist. Wenn man unbedingt will, kann man aus dem Jahrgang auch mein Alter errechnen: 87 (!) durch 3, vom Ergebnis die Quersumme, und die möge man vom Jahrgang abziehen. Das Ergebnis entspricht exakt der Zahl, die Herren meines Alters gegenüber attraktiven Barbekanntschaften angeben, wenn sie nach ihren Lenzen gefragt werden.

    Eine prima zahlenmagische Erfindung ist übrigens die Digitaluhr. Früher las man von der alten Analoguhr ,,kurzvoracht'' oder ,,gleichacht'' ab. Heute dagegen ist es ,,7 Uhr 53'', und wenn der Tag mit dem Geburtsjahrgang anfängt, wird er ein Glückstag. Das sollten Sie ausprobieren! Glücksgläubige hatten natürlich im vergangenen September ihren großen Tag: In Massen heirateten sie am 9. 9. 99. Das Zahlenmagische an diesem Datum: Die Quersumme ist 36, davon die Quersumme wieder die 9, ein Zusammenhang, der schon die tantitheistischen Apokryphen-Exegeten des 9. (!) nachchristlichen Jahrhunderts in Raserei versetzte. Seitdem spekulieren sie darüber, was Gott wohl am 9. Tag tat und ob er eine Tochter hat und betrachten die 9 als magisch, die 99 als bimagisch, die 999 als tripelmagisch und den 9. 9. 99 als Schnapszahl. Ich kenne ein Paar, das hatte schon zwei Kinder und im Januar 99 den Standesamtstermin 9. 9. 99 um 12.10 Uhr bekommen. Kein Zufall! September = 9/99, Quersumme 27, Ziffernprodukt 14 minus 9 (Januar 99 = 1/99, Quersumme 19, Ziffernprodukt 9) ergibt 5, plus Quersumme 12.10 (Uhr) ist wieder 9! Verrückt, nicht wahr? Oder mit den Worten von Pythagoras: ,,Die Zahl regiert das Universum!''

    Bilden wir noch einmal, ein allerletztes Mal, die Quersumme von 53 und hängen sie an die Quersumme von 87 an, haben wir die Lizenznummer des Taxis, das ich drei Jahre lang durch die kleine Bremer Nacht bewegte. Dies nur als Beispiel für einen zahlenmagischen Abweg. Ein zahlenmagischer Rückweg aber ist dieser: Addieren wir die Quersumme der leckeren 32 zur nun schon hinlänglich beschworenen 87, erhalten wir die Summe von 1, 9, 13, 15, 16, 18 und 20. Diese Zahlenreihe, als Buchstaben des Alphabets gelesen, ergibt, richtig sortiert, das Wort ,,Mitropa''. Darauf einen Schümli-Kaffee!


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    Oder dies hier:

    Unter Helmen - Die Motorradkolumne von Burkhard Strassmann
    Teil 2: Die Beifahrerin

    Der Mann. Die Maschine. Schwarzes Leder. Schwarzer Lack. Er reißt das Gas auf. Sie jubelt. Wer wollte sich dazwischendrängeln!? Die Beifahrerin.

    Puristen unter den Motorradfahrern sind Solofahrer. Sie interessieren sich nur für die eine. Sie kaufen sich ein Motorrad, das für die andere keinen Platz hat. Ein Motorrad mit Einzelsitz, auch "Einzelsitzbrötchen" genannt. Der Solofahrer lebt den Traum von der Verschmelzung in höchster Konsequenz. Von diesem Traum lebt die Motorradindustrie. Sprechen wir es offen aus: Es geht um Sex. Puristen mit Einzelsitzbrötchen werden von anders Orientierten gern als "arme Würstchen" verlacht.

    Die anders Orientierten sind in der erdrückenden Überzahl. Sie denken bei "Sex" nicht nach unten, sondern nach hinten. Hinten sitzt die andere, die Beifahrerin, "Sozia" oder "Braut" genannt. Alle Beifahrerinnen dieser Welt haben gemeinsam, daß sie meist keine Bodenturnerinnen sind und doch eine im Alltag kaum vorkommende Grätsche beherrschen. Zweitens verbrennen sie sich unablässig Schuhe und Waden an der glutheißen Auspuffanlage. Wohingegen sie sich obenherum meist erkälten, weil Windkanalversuche mit Motorrädern nur von Männern durchgeführt werden. Viertens macht es bei jedem Bremsen "klack", weil die Helme aneinanderstoßen. Fünftens sind sie enorm opferbereit. Das sind aber auch schon alle Gemeinsamkeiten.

    In unserer kleinen Typologie der Beifahrerin betrachten wir zunächst die Hochaufragende. Sie sitzt, aus der Fahrerperspektive, unnahbar fern hinten, hart am Gepäckträger, reglos, ja unbewegt. Krampfhaft umklammert sie den Halteriemen, ein lächerliches Relikt aus der Zeit, als Motorräder zum Transport von Hintermännern benutzt wurden, die ein Problem damit hatten, den Fahrer anzufassen. Die Hochaufragende würde niemals auf den Gedanken kommen, des Fahrers Lenden zu umfassen, obwohl der Fahrer das gern hätte. So aber hat er die Beifahrerin bald ganz vergessen und staunt beim nächsten Tankstopp nicht schlecht, daß er nicht allein ist.

    Ganz anders ergeht es ihm mit der Redseligen. Sie redet ohne Unterlaß über den Beruf oder das Fernsehprogramm, auch über Politik, als säße man in einer Limousine. In Wahrheit säße sie gern in einer Limousine und überspielt mit dem Reden ihre Todesangst. In Kurven kneift sie den Fahrer wie scherzhaft in die Seite, tatsächlich aber ist es schmerzhaft. Wenn sie absteigen darf, ist sie so begeistert, daß der Fahrer glauben muß, ihre Begeisterung beziehe sich aufs Fahrerlebnis.

    Gefürchtet ist die Kundige. Sie hat in aller Regel Physik studiert und wirft ihren Körper furchtlos in jede sich bietende Kurve. Der Fahrer ist vollauf damit beschäftigt, das Gleichgewicht wiederzufinden und schlimmste Stürze zu vermeiden.

    Der Inbegriff der Beifahrerin jedoch, der Traum der Pubertierenden, der tiefere Sinn jeder Doppelsitzbank, oft sogar der geheime Grund, ein Motorrad zu kaufen: Das ist die Hineinkriechende. Sie schmiegt sich mit jedem denkbaren Körperteil an den stolzen Herrscher über 100 PS und gibt sich allen Dreh-, Trägheits- und Aufrichtmomenten der Maschine hin. Dabei umfaßt sie seine Hüften derart liebevoll und intim, daß er gelegentlich scheu um sich blickt. Der Hineinkriechenden begegnet man enttäuschend selten.

    Sicherheitstechnische Erwägungen sprechen eindeutig für einen letzten Typus: den nassen Sack. Diese Form der Sozia hat kein Vertrauen in den Fahrer und schimpft über seine Fahrweise. Sie würde, wenn sie "den Lappen" hätte, ohne Zweifel vorn sitzen. Unterwegs wird sie durch hektische Bremsmanöver und tolldreiste Überholvorgänge so lange provoziert, bis sie sich resigniert in die Sitzbank "sacken" läßt und des Endes der Ausfahrt harrt. Jetzt sind ihre Reaktionen wunderbar neutral, gerade so wie die eines nassen Sacks. Der Fahrer wird weder physisch noch psychisch irritiert. Herrlich! Im Grunde handelt es sich um einen Solofahrer mit Gepäck, also den oben skizzierten Idealtypus.

    Es darf hier nicht verschwiegen werden, daß es auch Motorradfahrerinnen gibt, sogar solo, aber auch mit Beifahrerin und in Einzelfällen selbst mit Beifahrer. Vereinzelt trifft man noch Einheiten mit zwei hintereinander sitzenden Männern an. Doch welche Kombination man auch betrachtet: Es geht um Sex.

    aus "DIE ZEIT" Nr.30 1996, Autor Burkhard Strassmann


    Soll nochmal einer sagen der Burkhard wäre voreingenommen :)


    Ich glaub einfach der ist zu oft hergebrannt worden ;)


    Gruß Manni

    • Offizieller Beitrag


    Hi Manni,

    wenn er wenigstens vom "Schwarzen Lu der" geschrieben hätte...... ;)

  • "Motorraddidakt"

    DAS ist gut ! ! !

    Tolle Wortschöpfung PeteRR ! ! !


    :)- Gruss ... Börnie

    .


    Please do not feel intimidated by my superior intellect !
    I --- WILL --- WRITE --- VERY --- SLOWLY

    :]

    25.35 - 6.6.06

  • Zitat

    Original von PeteRR
    Hi Manni,

    wenn er wenigstens vom "Schwarzen Lu der" geschrieben hätte...... ;)

    So wie LuLa? *griiiiiiiiiiins* Pete, du kennst mich einfach zu gut....

    ;o))))

    Bussi

    LuLa